Tansania
Ich hatte ein Haus in den Taita Hills - dieses Motiv, frei nach Karen Blixen, lässt mich nicht los. Drei Jahre nach meiner ersten Keniareise bin ich wieder in Ostafrika. Es ist der Jahreswechsel 2023 zu 24. Kenia und Tansania diesmal. Der Reiseplan: von Frankfurt nach Mombasa, da holt uns Sister Genovefa mit ihrem Driver ab, es geht nach Voi, in die Taita Hills (der Nationalpark Tsavo East grenzt an).
Dann auf dem Landweg über den Grenzübergang Holili nach Tansania, nach Moshi, genauer nach Mengwe (wir wohnen auf der Bananenfarm von Gens Familie).
Von dort starten wir eine mehrtägige Safari in die Serengeti, Ngorongoro-Krater, Tarangire, Lake Manyara, danach fliegen wir vom Kilimanjaro International Airport nach Sansibar.
Tonny und Franziska
In Voi besuchen wir die Hilfsprojekte vom St. Joseph-Orden, Schwester Genovefa ist unsere Gastgeberin. Wieder, wie vor drei Jahren, treffe ich verschiedene Gruppen mit HIV-Erkrankungen. Was hat sich verändert? Das Gute zuerst: Tonny und Franziska und all die anderen im kleinen Ort Mwashuma erzählen diesmal nicht von der Stigmatisierung in ihren Herkunftsfamilien, dem Verstecktwerden und schließlich ihrem Familienausschluß. Sie können inzwischen offen über ihre Krankheit reden und werden, anders als noch vor wenigen Jahren, nicht mehr ausgegrenzt - auch ein Erfolg der Sozialarbeiter, Schwestern und ihrer Aufklärungsarbeit. Aber: als wir sie besuchen, ist erst einmal kein Gespräch möglich. Alle stürzen sich sofort auf das mitgebrachte Brot und die Milch - sie haben Hunger. Nach Einnahme der starken Medikamente sind sie hungrig, doch oft essen sie zwei, drei Tage gar nichts. Sie haben nichts.
Merry Christmas auf Kisuaheli
Zuvor waren wir im Supermarkt und haben als Geschenk für die drei Gruppen 60 Packungen Maismehl und Zucker mitgebracht. Was leider auch nur ein, zwei Tage reicht. Was macht das mit mir? Ich merke, ich komme in eine Rolle, die ich nicht haben will: alter, weißer Mann aus Europa, der den Geldbeutel zückt. So habe ich eine erhabene Position, die mir unangenehm ist. Andererseits: Was habe ich erwartet? Augenhöhe? Kann es nicht sein, ich bin Besucher auf Zeit und verschwinde wieder in meine privilegierte Welt. Vielleicht ist das doch meine Rolle: Not lindern bei Gelegenheit. Tonny und Franziska jedenfalls hilft es. Sie sind voller Kraft, trotz ihrer Schwäche. Auf einer selbstgebastelten Gitarre spielen sie uns Weihnachtslieder vor. Merry Christmas auf Kisuaheli, mit dem Virus im Bauch.
All diese Gruppen stellen kleine Produkte her, um ein Geschäft zu haben. Halsketten aus Muscheln, Einkaufstaschen aus Sisalgeflecht. Durchaus hübsch, aber zum Erfolg fehlt der Absatzmarkt. Onlineverkauf funktioniert nicht, der reale Marktplatz, oft weit entfernt in der Stadt, ebenso nicht: da kommen sie ohne mobil zu sein gar nicht erst hin.
So sinken ihre Geschäftsideen unerfüllt zurück in den Staub jener Slumhütten, in denen sie geboren wurden.
Musical in der Kirche
Merry Christmas auch in der Kirche der Christen: Weihnachten haben wir in Voi gefeiert. Der Gottesdienst ist unvergleichbar mit dem, was ich sonst gewohnt bin. Wir besuchen gleich mehrere dieser Xmas-Celebrations, so sehr sind wir von ihnen fasziniert. Die Priester nehmen die Gläubigen dermaßen mit, dass ununterbrochen gelacht und gestaunt wird, auch ob ihrer mimischen Talente. Und oft wird getanzt und gesungen: kenianische Gottesdienste sind ein Erlebnis.
Die Prediger sind Entertainer, und wenn dann noch der Kinderchor mit seinen Santa Claus-Mützen auftritt, wird das Ganze zum Musical. Vielleicht geht so gelingende Kirche: nah bei den Menschen.
African Big Cats Safari
Dem Sozialen folgt das Kontrastprogramm: Safari. Vor Arusha sehen wir den schneebedeckten Kilimanjaro, dann geht es in die Nationalparks Lake Manyara, Krater (der eigentlich eine Caldera ist) Ngorongoro, Serengeti, Tarangire. Die Übernachtungen in der Embalakai-Lodge sind wie ein kleines Wunder: Glamping mitten in der unendlichen Serengeti. Wir schlafen zwischen Hyänen und Büffeln, denn die waren kurz zuvor noch um die Zelte geschlichen. Wollen wir vom Schlafzelt zum Restaurantzelt, müssen wir per Walkietalkie einen der Maasai als Escort anfordern. Alle sind mit mächtigen Messern ausgerüstet.
Big Five und mehr
Juma ist unser Fahrer und Guide und African Big Cats Safari unsere Agentur. Juma kennt und findet all die guten Locations: die schläfrige und satte Löwin auf der Akazie, die entspannt alle Viere herunterbaumeln lässt, den Hippo-Pool mit bestimmt über einhundert Flusspferden, den gespannten Geparden auf seinem Beobachtungshügel, er bringt uns mitten hinein in eine riesige Elefantenherde mit ihren tapsigen Babys, zeigt uns durch hohes Gras streifende Leoparden, die plötzlich aus dem Busch heraustreten, streitende Giraffenbullen, die ihre langen Hälse umeinander ringen, sich aufspielende Straußenmänner, die ihre Weibchen mit Tänzen beeindrucken wollen, wir sehen die symbiotische Freundschaft zwischen Gnus und Zebras und ihre endlosen Herden auf dem Geburtsplatz vor der großen Wanderung in der südlichen Serengeti, Nashörner, die mit ihren getrockneten Schlammkleidern wie Albinos aussehen, verspielte Paviane, ein riesiges Krokodil, das bewegungslos daliegt und nur einmal sein Maul aufreißt, einen Leguan, der im Sand des Flussufers nach Eiern gräbt, Schildkröten, die rudernd das nächste Dickicht aufsuchen, Impalas, Thomson-Gazellen, Geier, Fischadler, Schakale, Hyänen, die vor unseren Augen gerade einen Büffel zerlegen.
Nach fünf Tagen glauben wir, alles gesehen zu haben und wissen: Tansania ist so direkt, so natürlich, so unverbildet und ungefiltert, so intensiv.
Hippo-Pool
Im Hippo-Pool nehmen die gewaltigen Flusspferde ihr Morgenbad. Mich überkommt in dieser übergroßen Naturerfahrung ein Glücksempfinden: schau eine Stunde diesen auf- und abtauchenden Riesen beim Rangeln in ihrer trüben Brühe zu, höre ihre Prust- und Schnauzlaute, rieche ihre unverwechselbare Mischung aus Dung - und sei dankbar. Was für ein mächtiger Resonanzraum ist dieses Outdoor-Theater, der Mensch wird klein und fühlt sich dennoch aufgehoben. Teil eines großen Ganzen.
Muslime und ein paar Christen
Die letzte Woche verbringen wir auf Sansibar. Eine Insel, deren lautmalerischer Klang mich verführt hatte: ZANZIBAR. Über 90 Prozent sind Muslime, die wenigen Christen müssen sich behaupten. Inzwischen geht es friedlich zu, aber vor etwa zehn Jahren wurden Priester auf offener Straße ermordet und der Bischof fürchtete um sein Leben. Harte Gegensätze und ein auskömmliches Miteinander scheinen Sansibar heute zu prägen: die Luxusresorts an den Küsten und die Armut in den Slums der Vorstadt. Und doch: die muslimische Bevölkerung schickt ihre Kinder in die Schulen der Katholiken, im Inselinnern sitzen in der Primary Scholl die kleinen Religionen einträchtig nebeneinander.
Ich muss über kulturelle Aneignung denken: ist es das schon, wenn ich versuche zu parlieren und doch nicht über ein asante sana, karibu und hakuna matata hinauskomme? Oder zeigt das meinen Respekt und Interesse an den Einwohnern? Manchmal zweifle ich, was freundlich und was albern ist.
Auch das fällt mir auf: kommen wir auf die innenpolitische Lage in Deutschland, die Flüchtlingsproblematik, das sich verändernde gesellschaftliche Klima und die Verschiebung von Normen nach rechts zu sprechen, hat niemand meiner Gesprächspartner - Taxifahrer, Lehrer, Ärzte - Verständnis für eine deutsche Politik, die von Zuwanderern nicht ein striktes Einhalten der Werte und Regeln in ihrer neuen Heimat einfordert.
Das Lachen Afrikas
Und doch: gerade weil ich auf dieser Reise so viele Gespräche führe, kann ich meinen Gegenübern mit Verständnis begegnen. Dabei merke ich: Afrikaner lachen soviel.
Begegnungen
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