Kenia

Der Februar 2020 war meine Keniazeit. Die Uhr habe ich zwei Stunden vorgestellt.

Tsavo East Im Slum

Kenianisches Tagebuch

Drei Wochen Ostafrika - von Frankfurt mit Ethiopian Airlines im Airbus A350 nach Addis Ababa, weiter nach Nairobi (auf der Route ist die Boeing 737 Max abgestürzt, weil die Boeing-Software die Piloten vor unlösbare Probleme stellte). Per Zug nach Voi im Landesinnern, danach mit dem Zug nach Mombasa und Diani Beach. Rückflug von Mombasa über Addis Ababa nach Frankfurt. Millionenstädte, grandiose Fauna und Flora, Traumstrände am Indischen Ozean - aber auch ein Blick hinter die Kulissen: mit Korruption, schwierigem Gesundheitssystem, aus den Fugen geratener sozialer Lage.

Keine Fotos in Nai-ROB-i

Straße Die zwei Hände packen mich von hinten. Wie ein Schraubstock. Kein Entrinnen. "Was tust du hier? Warum machst du hier Fotos?" Ich blicke mich um, zwei Männer - einer dünn, der andere bullig - stehen hinter mir. "Ich bin deutscher Tourist, vor drei Stunden in Nairobi gelandet. Es ist mein erster Besuch in Kenia. Ich kenne ihre Regeln nicht. Entschuldigung." Meine Erklärung stößt wie ungehört auf taube Ohren. "Warum machst du hier Fotos?"

Nairobi

Stadtzentrum Nairobi, nahe der River Road. Beide Männer tragen Alltagskleidung, etwas runtergekommen, Typ: Kaufhaus Straßenkreuzung. "Komm mit." Sie zerren an mir herum, schubsen mich eine Straße entlang. Der Bullige ist kompromißlos. "Wer sind sie?" Der Dünne, er nennt sich später Thomas: "Zivil-Polizei." Ich frage nach ihrem Ausweis. Den zeigen sie mir nicht. Viel habe ich über Überfälle in Nairobi gelesen. Gefährliches Pflaster. Touristen werden auf offener Straße gekidnappt.

Straßenszene

Die Sache beginnt, mulmig zu werden. Ich reiße mich los. Hinein in ein Geschäft. "Hilfe, ich brauche Hilfe. Polizei." Der Ladenbesitzer schmeißt mich raus. Da sind die beiden wieder. Thomas zeigt mir seine Handschellen. Ob ich die spüren wolle? Immer mehr entfernen wir uns vom Stadtzentrum. Entgegenkommende Passanten schauen weg.

Einige hundert Meter entfernt ein Gebäude. Da soll es hingehen: Central Police Station Nairobi.

Nairobi

Ich sehe Uniformen. Doch Polizei? Im Verhörraum bin ich nicht allein, einige werden hier vernommen. Aber was habe ich eigentlich getan?

Die Kamera wird mir abgenommen. Der Bullige will meinen Reisepass, sagt: "Her damit." Niemand spricht mit mir. Mein Pass ist weg. Nach einer Stunde werde ich in den nächsten Vernehmungsraum geführt. Vorbei an geschlossenen Türen, immer tiefer ins Gebäude rein. Was wird das nur?

Wieder langes Schweigen und Warten. Kamera und Pass sind weg. Mein erster Tag in Kenia - wie komme ich aus der Situation nur je wieder raus?

in Nairobi

Schließlich werde ich nach einigen Stunden in einen anderen Raum gebracht. Diesmal zum Chief Officer - er thront gelangweilt hinter seinem gewaltigen Schreibtisch. Ein massiger alter Mann. How are you doin’, Frank? Ich solle Kenia genießen, nur bitte keine Fotos in Nairobi machen. So viele al-Shabaab-Terroristen aus Somalia, die die Stadt ausspähen. Ich denke: wer mich - erkennbar ein harmloser europäischer Tourist - mit einem somalischen Terroristen verwechselt, muss das aber schon sehr wollen.

Stadtzentrum

Ich bekomme die Kamera zurück, der Polizei-Chef winkt mich mit der Hand raus: "Gehen Sie." Gerne, aber nicht ohne meinen Pass. Hektisches Herumgefuhrwerke an seinen WalkieTalkies. Trotzdem dauert es noch einmal eine Stunde, bis der Bullige lächelnd und mit meinen Pass in der Hand wedelnd wieder auftaucht. Wahrscheinlich haben inzwischen sämtliche Fälscherwerkstätten Nairobis meine Daten. Zum Abschied fragt er noch, ob ich etwas für einen Kaffee geben könne? Ich bin so erleichtert, dass ich ihm 1000 kenianische Schilling in die Hand drücke. Knapp zehn Euro.

Straßenverkauf in Nairobi Busstation in Nairobi

Die Lektion: Pass auf in Nairobi - besonders wenn Polizei in der Nähe ist. Zivilpolizisten sind einfach zuviel Polizisten. Als mir auf dem Bahnhof bei der Kontrolle auch noch mein Schweizer Messer abgenommen wird (das ich im Koffer, den ich aufgebe, verstaut habe), weiß ich, warum Nairobi Nai-ROB-i heißt.

Demokratie nur auf dem Papier

Mein erster Tag in Kenia - in den Fängen der Polizei. Jared Obuja, Vertreter von Reporter ohne Grenzen in Nairobi, erklärt mir: "Es stimmt, es sind viele Somali in der Stadt, und es gibt auch Terroristen. Das größere Problem ist aber die Korruption im Land. Davon haben wir wirklich mehr als genug." Jared treffe ich ein paar Tage später, wir essen in einem Mittelklasse-Restaurant am Stadtrand. Früher hat er für die BBC gearbeitet. Uhuru Kenjatta ist der amtierende Präsident, der Sohn des ersten Präsidenten. Für Obuja besteht die Demokratie in Kenia "nur auf dem Papier": "Wir haben eine Handschlagpolitik, alles wird so geregelt. Zwischen dem Präsidenten und dem Oppositionsführer, dem Polizeichef, den Inhabern der großen Medienhäuser. Man wird sich schnell einig."

Obuja

Aber auch: in Kenia herrsche mehr Freiheit als in anderen afrikanischen Staaten. Er als Journalist könne alles sagen. Im Laufe meiner Reise treffe ich auf glühende Verehrer von Kenjatta wie auf strikte Gegner. Ob ich Jared mit vollem Namen und Bild zitieren darf? "Ja, kein Problem." Beim alten Präsidenten sei das anders gewesen. Arap Moi war ein Diktator. Jared zeigt mir das Hotel, in dem der seine Regimegegner foltern ließ. Wieder in der Stadt, fahre ich an langen Menschenschlangen vorbei. Moi ist wenige Tage zuvor verstorben, sein Leichnam ist im Zentrum aufgebahrt. Wahrscheinlich wollen sich die Bürger vergewissern, ob er wirklich tot ist...

Blixen Die nächsten Tage: Jetzt habe ich für meine touristischen Visiten einen lokalen Führer gebucht. Tony bringt mich sicher durch die Stadt. Nairobi National Park, Kenjatta Tower, Bomas of Kenya, Blixen-Museum. Das finde ich toll. "Am Fuße der Ngong-Berge hatte ich eine Farm" - im Stadtteil Karen wohnen heute die vermögenden Leute. Die mit dem Handschlag.

Kibera - größter Slum Ostafrikas

Kibera Slum Tony bringt mich auch nach Kibera. Einer der größten Slums Afrikas. Eine Million Menschen leben hier. Daneben ist übrigens ein Golfplatz. Jared erklärt, hier sei die soziale Schere zwischen arm und reich besonders groß. Offiziell sind knapp 10 Prozent der Bevölkerung arbeitslos, Jared glaubt eher an 40 Prozent.

Nur mit einem weiteren Führer sind wir hier sicher. Local Guide Davis ist 42 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder. Kennt die Leute im Slum, wohnt selbst hier. Ich darf fotografieren, aber nicht jeden. Gruppen von jungen Männern bitte nicht. Die nehmen oft Drogen und haben dann keine Kontrolle mehr über sich.

Schule Kinder

Es gibt Elektrizität im Slum, Schulen, Apotheken, Ärzte, Frischwasser, eine tägliche Zugverbindung in die City. Nur keine Kanalisation. An den Hütten geht einfach eine Luke auf.

Luke

Tagsüber ist wenig los, die Bewohner gehen ihren Geschäften nach. Verkaufen in Nairobi auf der Straße, Obst oder Kleider. Auch an Zivilpolizisten.

Ather

Wir besuchen Ather, einen Cousin von Davis. Er lädt uns in seine Wellblechütte ein. Wenige schaffen es einmal raus aus dem Slum, schaffen dauerhaft ein anderes Leben. Aber viele wollen es auch gar nicht. Nirgendwo in Nairobi ist das Leben so billig wie in Kibera.

Die Schwestern vom St.Joseph-Orden

Schwestern Mit der Bahn fahre ich nach fünf Tagen nach Voi. Im Landesinnern. Schicker, futuristischer Terminal, gute Verbindung. Haben die Chinesen gebaut, die einzige Strecke, die problemlos funktioniert. Das wird gelobt, aber nicht die Chinesen: weil sie ihre Arbeiter schlecht behandeln, eh viele aus China mitbringen und sich die Länder durch schwierige Kreditvergaben von ihnen abhängig machen.

Ich besuche die Schwestern vom katholischen St.Joseph-Orden. 300 gibt es in Afrika, Schwester Genovefa leitet die Station in Voi, mit Missionshospital, einem Zentrum für Aidskranke, einem Heim für Waisenkinder. Schwester Genovefa ist eine der warmherzigsten, hilfsbereitesten Personen, die ich je getroffen habe.

Kinderstartion

Sie ist 71 Jahre alt und von zupackender Natur. Zeigt mir ihr Missionshospital. Mit Schwangerenstation, Röntgenraum und stationärer Unterbringung. Die Finanzierung ist das große Problem. Es gibt Krankenversicherungen in Kenia. Doch in Voi sind sie mit ihren Ausgleichszahlungen im Rückstand. Manche Angestellte im Hospital warten deshalb seit sechs Wochen auf ihren Lohn. 500 kenianische Schilling kostet die Versicherung im Monat - und die können sich nicht alle leisten. Kommt ein Bedürftiger zu Ihnen, weisen sie ihn nicht ab. Letztens haben sie einen jungen Motorradfahrer behandeln müssen, nach einem Unfall hatte er vier Operationen. Aber keine Versicherung. Auf den 50 000 KSh (=4500 Euro) ist das Krankenhaus sitzen geblieben.

Im Garten hat Genovefa einen Brunnen bohren lassen, füllt das Wasser in Flaschen ab und verkauft es im Supermarkt. Regelmäßig läßt sie es kontrollieren. Jetzt läßt sie noch einen Hühnerstall bauen und will Eier verkaufen. So kann sie wenigstens kleine Anschaffungen selber finanzieren.

Nationalpark Tsavo East, Aids-Hilfe in Mkwajuni und die Waisen von Bura

Mein touristisches Programm: der Nationalpark Tsavo East. Morgens um sechs holt mich Fahrer Jimmy mit seinem Bus mit aufklappbarem Dach ab.

Giralle Elefanten Löwe Zebra Strauß Chamäleon

Ein Erlebnis. Fünf Meter von mir entfernt fressen Giraffen die Blätter eines Baumes ab, zieht eine dreißigköpfige Elefantenfamilie über den Weg, äsen Büffel, queren Zebraherden die Straße, liegt eine Löwenfamilie sattgefressen im Savannengras, springen Gazellen und Antilopen vorbei, tanzt ein Straußenmann verliebt um sein Weibchen herum, wiegt sich ein Chamäleon mit seinem besonderen Tritt zwei vor eins zurück ins Buschwerk, tollen die berühmten roten Elefanten in einem Wasserloch. Unvergeßlich. Dazu sind gerade die Schmetterlinge geschlüpft - und tausende Vögel summen und singen herum. Aber: Klimawandel auch in Afrika. Alles ist grün. Im Vormonat hat es ungewöhnlicherweise viel geregnet - deswegen sind jetzt all die Heuschrecken da.

Ich besuche eine Aids-Hilfe eine halbe Stunde von Voi entfernt in Mkwajuni. 15 Männer und Frauen. Zwischen 30 und 70 Jahre alt. Sie bekommen Medikamente der Schwestern, von Genovefa.

Tanz

Zur Begrüßung führen sie einen Tanz auf. Genovefa bringt Unmengen Brot als Geschenk mit. Manche sind so arm, dass sie sich nicht jeden Tag ein Essen leisten können, manche leben von weniger als einem Dollar am Tag. In drei Selbsthilfegruppen haben sie sich aufgeteilt: Our rights, Uplifting our Lifes, Ebenezar. Elisabeth ist 41, aus ihrer Familie wurde sie verbannt, weil sie HIV-positiv ist. Dann hat sie die Medikamte abgesetzt und wäre fast gestorben. Our rights hat sie aufgefangen, jetzt geht es ihr gut. Zuhause lebt sie nicht mehr. Magi von Ebenezar sagt, in ihrer Gruppe waren sie einmal 16. Jetzt nur noch 11, fünf sind gestorben. Juliana hat acht Kinder, nur eines ist HIV-positiv. Ihr Mann ist an Aids gestorben.

Elisabeth Magi

Aber vielen helfen die neuen Medikamente. Martin ist 68, hat seit 20 Jahren Aids. Sagt: "Ich fühle mich stark und gesund." Zeigt lachend seine Muskeln. Genovefa beschäftigt ihn als Sozialarbeiter. Er geht in die Dörfer und macht Aufklärungsarbeit. Dass Frauen, die Aids haben, keine Prostituierten sein müssen. Dass man sich mit Kondomen schützen kann. Die Krankheit ist noch immer stark verbreitet und stigmatisiert die Patienten, aber die Beispiele zeigen: Die Gruppe in Voi bekommt das Problem langsam in den Griff. Manche können ein langes Leben führen.

Martin

Zwei Tage später besuche ich ein Waisenhaus in Bura. Eine Stunde in die Berge, Richtung Tansania gelegen. 26 Kinder, von einem Tag bis zehn Jahre alt. Manche wurden als Säuglinge einfach am Straßenrand abgelegt. Einmal hat ein Hund ein Paket erschnüffelt, in dem das Baby lag.
Die Schwestern kümmern sich um sie. Die Kinder können hier wohnen, bekommen zu essen, gehen in die Schule. Einige schaffen es raus mit ihrer Hilfe, sind Marinesoldat und Lehrer geworden. Das sind die Vorzeigebeispiele. In Bura will einer Priester werden, andere Ingenieur oder Schwester. Auffallend viele wollen Pilot werden. Gucken sie in den Himmel, sehen sie die Flugzeuge. Und wünschen sich wohl, fliegen zu können.

Priest Waisen

Diani Beach und Mombasa

Letzte Station: Diani Beach und Mombasa. Baden im Indischen Ozean. Paradiesisches Blau und Grün des Wassers. Aber extrem heiß, 35°C am Tag, nachts kühlt es auf 28°C ab. Keine Erholung. Nur wenige Klimaanlagen, viele Deckenventilatoren. Ich bekomme eine Sonnenallergie.

Diani Beach Relax

In Mombasa ist die Zentrale der Schwestern vom St.Joseph-Orden. Mit zahlreichen Projekten. Hospitälern, Waisenhäusern, Schulen. Simon ist der Sozialarbeiter bei den Straßenkindern. Das Problem: fliehen die Kinder wegen der schlechten Zustände aus ihren Familien, finden sie bei obdachlosen Streetkids eine neue Heimat. Sie da rauszureißen ist schwierig - zumal der Aufenthalt im Waisenhaus freiwillig ist.

Trotzdem meint Simon, dass die Quote bei acht von zehn liege - acht ergreifen die Chance, gehen zur Schule, erlernen einen Beruf, gründen eine Familie, leben irgendwann einmal in einer selbstbezahlten Wohnung. Im Haus treffe ich Arnold, 6, Jackson, 11, Julius,12, Morgan, 14, und Moses, 14, an. Was wird aus Ihnen einmal werden?

Kids Hoffnung

Kenia

Mein Eindruck: Afrika braucht Hilfe. Kenia versucht, seine Probleme in den Griff zu bekommen. Manchmal schaffen sie es fast schon.

Begegnungen

Fotos in Nai-ROB-iFotos in Nai-ROB-i

nahe River Roadnahe River Road

Massai-MarktMassai-Markt

KiberaKibera

SpielplatzSpielplatz

GeschäfteGeschäfte

FreudeFreude

Gasse in KiberaGasse in Kibera

Alles daAlles da

SammelplatzSammelplatz

MissionshospitalMissionshospital

Sr. Genovefa in WasserstationSr. Genovefa in Wasserstation

Nairobi NationalparkNairobi Nationalpark

Big 5 in Tsavo East Big 5 in Tsavo East

SpringinsfeldSpringinsfeld

FamilienlebenFamilienleben

Mal schauenMal schauen

Männer unter sichMänner unter sich

was gibtswas gibts

FütterungFütterung

ZweikampfZweikampf

Rote...Rote...

Elefanten Elefanten

WasserspieleWasserspiele

Erfrischung zu Zweit Erfrischung zu Zweit

SelbsthilfeSelbsthilfe

Our rightsOur rights

Uplifting our LifesUplifting our Lifes

EbenezarEbenezar

LebenswilleLebenswille

HochzeitstänzerHochzeitstänzer

VerehrungVerehrung

AndachtAndacht

WaisenWaisen

in Burain Bura

StreetkidsStreetkids

in Mombasain Mombasa

Kenias ZukunftKenias Zukunft

AbkühlungAbkühlung

ParadiesParadies

SonnenschutzSonnenschutz

Grandiose LandschaftGrandiose Landschaft

BaobabBaobab

gut getarntgut getarnt

RelaxRelax

SavanneSavanne

StrandlebenStrandleben

Indischer OzeanIndischer Ozean

KeniaKenia

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